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Version 1.1 Gerhard - Hermann Kuhlmann, November 2005

28.03.16 (Feldpostbrief)

27.III.16

Liebste Martha!

In Deinem letzten Schreiben sind verschiedentlich Fragen aufgeworfen worden, die meine Stellungnahme zu diesem oder jenem politischen wie militärischen Ereignissen erkunden sollen. Ferner Fragen über das persönliche Ach und Weh. Werde letzteres zuerst beantworten. Die Zigarren, die Du mir sandtest, gefallen mir tadellos. Es sind die richtigen Offensivzigarren, wie Mitglieder der l.M.K. (lauter müde Krieger) sie gern rauchen. Auch die Schokolade war recht gut. Auch der Tabak gefällt mir. Sende mir Tabak nach Anforderung, er könnte mir sonst bei dem dauernd feuchten Wetter gleichfalls feucht werden. Diese letzte Bemerkung zeigt Dir auch gleich, wie die Witterung hierzulande ist. Dieses dauernd schlechte Wetter (nur wenige schöne Tage bis jetzt) ist auch Schuld daran, daß ich in letzter Zeit so wenig schrieb. Bei solchem Wetter liegt man fast den ganzen Tag in Decken gehüllt im Zelt. Munition wird nur nachts gefahren und seit unserer Ruhe (?) waren wir noch nicht wieder in Feuerstellung. Unsere Abteilung schießt nur auf dringenden Befehl. In den nächsten Tagen ist unser Abschnitt wieder an der Reihe mit dem Stürmen. Meine Ansicht über unsere offensive Absicht hier im Westen, habe ich Dir schon wiederholt dargelegt. Es ist nur verständlich, wenn dadurch dem Gegner dieselben Absichten, die seinerseits vielleicht zum Durchbruch hätten führen können weil ihm größere Truppenmassen zur Verfügung stehen usw. vereitelt würden. Die Märchen, die erzählt werden, von großen Reserven, die unsererseits hinter Arras stehen sollen mit gleicher Absicht, laß ich vorläufig noch als Märchen gelten. - Die Verabschiedung Tirpitz‘s, so bedauerlich sie ist, liegt sicherlich im Interesse der Menschheit. Eine jede Verschärfung der militärischen Maßnahmen, sind ein Verbrechen an der Menschheit, soweit sie nicht das Ende des Krieges beschleunigen können, wie es mit dem Brotkriege nur leider der Fall ist. England ist, wie ich immer behauptete, nicht am Leder zu flicken und geht sicherlich als erster Sieger aus diesem Krieg hervor. Der Vorstoß bei Verdun, wie überhaupt im Westen gegen die Franzosen macht diese nur noch hartnäckiger und verzögert das Kriegsende. Das ist, nach allen Erfahrungen meinerseits, die Absicht, die ich auszusprechen wage. Verdun kann eventuell in vier oder acht Wochen nach langsamen blutigen Vorarbeiten, genommen werden. Der Zweck wird gewiß nicht erreicht werden. Der Franzose besitzt viel zu viel Nationalstolz, um ihn noch mehr kränken zu dürfen. Nach den schreienden Ungerechtigkeiten, die im preußischen Militarismus noch sich vorfinden, ist es gar nicht so schlimm, wenn letzterer sich hier und da die Hörner abstößt, wie er die Ankündigung seiner verschärften Art Brotkrieges wieder zurücknehmen muß. Hier hast Du meine Stellungnahme. In welcher Weise ist die Bemerkung Fuhrmanns über Ditfurth* in Zusammenhang zu bringen? Letzterer ist seit acht Tagen zur II. Abteilung versetzt. Wohl ist diese Versetzung eine Strafversetzung, aber weshalb wird solch ein Mensch nicht aus dem Heere entfernt? Da ist doch das ganze System zu verurteilen. Ich erhielt heut noch Deinen lieben Brief vom 23. und zwei Pakete Kuchen, sowie Wurst, Käse und dergleichen. Alles mit großer Sorgfalt und Liebe verpackt. Vielen herzlichen Dank für alles.

In Liebe und Treue

Dein Fritz

Überbring auch den übrigen Mitgliedern der Familie meine herzlichen Grüße

Boelke sehen wir täglich fliegen.
Samogneux, Champneuville usw. unsere Gegend