21.07.18 Brief ohne Umschlag

Sonntag, den 21.Juli 1918

Liebste Martha!

Wenn ich heute nicht den versprochenen längeren Bericht sende, so liegt es dieses Mal an meinem längeren Mittagsschlaf, von dem ich soeben erwacht. In ¾ Stunden geht die Post ab und muß dieser Brief noch mitgehen, da in den nächsten Tagen wohl keine Gelegenheit sich finden wird, Post abzugeben, weil wieder eine Eisenbahnfahrt bevorsteht. Unsre Gastrolle in der lausigen Champagne ist beendet. Erfolg gleich Null. Dieses sollte die größte Offensive dieses Weltkrieges werden und uns wesentlich dem Frieden näher bringen. Den größten Reinfall hat es gegeben und der Abnutzungskrieg geht mit unbestimmter Dauer weiter. Entweder sind unsere Vorbereitungen dem Feinde durch Verrat von Überläufern oder durch mit allen möglichen Gewaltmitteln erpreßte Mitteilungen seitens der Franzosen gegenüber den Gefangenen, die in den letzten Wochen in seine Hände fielen. Wie ich schon sagte. Offensiven können nur Erfolg haben, wenn sie den Gegner unvorbereitet treffen. Gegenüber den Franzosen und Engländern an eine solche Möglichkeit zu glauben vermag ich jetzt nicht mehr. Du siehst, daß mein Optimismus von gestern einem Pessimismus von heute gewichen ist. Erst müssen wir wieder eine andre Angriffsart erfunden haben, die uns wieder für einige zeit Erfolge bringen kann. Wie schon gesagt, kannst Du in den nächsten Tagen nicht mit Bestimmtheit auf Nachricht von mir hoffen, ebenso werden wir wohl wieder Tage lang ohne Post bleiben. Ich tippe auf den nördlichen Teil der Westfront.

Unsere Gesamtverluste in der Champagne sind folgende: 1 Offizier tot, 1 Offizier schwer verwundet, drei Mann tot, 10 bis 12 schwer und leicht verletzt. Hoffentlich sehen wir diese Lausegegend, die als solche allen Westkämpfern im Magen liegt, nicht wieder. Eine Gluthitze, wenig Schatten unglaublich viel Staubentwicklung auf diesem Kreideboden, Wasserstellen sehr wenig. So haben wir große Strapazen aushalten müssen. An der Aisne war es doch weit schöner. Selbst die Umgegend von Verdun mit den Trichterfeldern bot wenigstens mehr des interessanten, wie diese öde Gegend. Hoffen wir also das Beste, lieber Leser, daß es uns in Zukunft besser gehen möge. Sonst wüßte ich heute an Kriegsereignissen nichts besonderes zu berichten. Gewaltige Schießerei, besonders während der Nacht, und zu gleicher Zeit Fliegerbesuche, die Bomben werfen - Was gibt‘s Neues in Lippe sp. Auf dem Tötehofe? Mit dem Roggenmähen werdet Ihr ja wohl schon begonnen haben. Wie steht‘s vor allen Dingen mit meiner Reklamation?

(Fortsetzung fehlt)


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Version 1.0 Gerhard - Hermann Kuhlmann, November 2005