02.08.18 (Brief ohne Umschlag)

Im Feld den 2. August 1918

Liebste Martha!

In den letzten drei Tagen bin ich nicht zum Schreiben gekommen. Wir haben wieder einmal den Gefechtsstand gewechselt und bringt solch ein Umzug immerhin einige Störungen in das ewige Einerlei und in die Behaglichkeit. Gestern zum Beispiel kam ich nachmittags erst zurück von einem Ausflug in das Trichtergelände vor uns zwecks Aufsuchen von Beobachtungsstellen für die Batterien. 18 km Fußmarsch bei großer Hitze durch schmutzige Gräben und über Trichterfelder und nicht zu vergessen im dicken Rock. Ich war wenig freundlich zu sprechen auf die Firma Fr. Möller, die in erster Linie alle Schuld trifft, daß ich dauernd im Winterrock bei der Gluthitze herumlaufen muß. Werde derselben noch heute in einem Schreiben an die betreffende Firma allen Ärger von mir abzuwälzen versuchen.

Heute sind wir nun seit acht Tagen aus der Champagne fort. Seit dieser Zeit immer noch keinerlei Post erhalten. Doch hoffe ich auf heute oder morgen. Die zeitige Nachsendung der Post läßt immer ncoh sehr zu wünschen übrig. Wir haben doch nur eine Bahnfahrt von etwa 18 Stunden gemacht, und könnte in diesem Fall die Post schon am dritten Tag nach Umleitung derselben wieder hier zur Ausgabe gelangen. Die vorgesetzten Behörden glauben nun, im Interesse der Geheimhaltung liegt nicht das schnelle Nachsenden der Post. Dieser Ansicht müssen wir uns fügen. Verstehen tue ich es nicht. Das Wetter war hier in letzter Zeit regnerisch, gestern und vorgestern trocken und sehr warm, heute wieder Regen. Ich befürchte nur, daß diese unbeständige Witterung auch dort vorherrscht und Euch sehr viel zu schaffen macht während der Ernte. Ich bitte mich nur immer auf dem Laufenden zu halten, wie weit die Ernte fortgeschritten, wie viel Fuder eingefahren wurden und woher das Getreide eingebracht wird. Nochmals erinnere ich an das Herunterschaffen der Bretter vom Boden der neuen Scheune, bevor derselbe zugebanst* wird.

Wie viel Zentner Gerste sind denn in ?? gedroschen? Nachricht von August Fischer da?

Wie geht’s Betta und ihrem Verhältnis zum Vetter Hans? Glaubst Du immer noch an die Möglichkeit einer Verbindung der beiden? Ich kann mir das nicht denken. In welchem Frontteil hält sich letztgenannter auf und mit was für einer Tätigkeit Infanterist oder noch Kavallerist? Ist der Vater immer noch in Gent (?) und Max in Lübeck? Wie lange will Max denn noch aushalten. Will er ernstlich wieder an die Schulbücher denken, so ist doch schnellste Umsattelung sehr geboten, bevor vieles wieder verschwitzt wird. Warst Du bei dem Sekretär oder dem Landrat in Sachen der Steuerfrage und welcher Bescheid wurde Dir? In dieser Sache ist Eile geboten, das Ergebnis muß ich umgehend erfahren, um zeitig genug eventuell Einspruch erheben zu können. Sind meine Schuhe noch nicht fertig? Ins Feld sollen dieselben mir aber nicht gesandt werden. Gestern sind an Deine Adresse 200 Mark gesandt worden, bitte um Empfangsbestätigung. Was macht die Reklamation? Bitte um Mitteilung, wie lange die Briefe unterwegs sind.

Viele herzliche Grüße Dir, Paul und Minchen

Fritz

*"bansen" heißt eine Scheune mit Heu oder Stroh beladen (ghk)

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Version 1.0 Gerhard - Hermann Kuhlmann, November 2005