Teuthof*, Sonntag, den 20. Juli 1918

Liebster Fritz !

Also heute genaueres über Dein Urlaubsgesuch und alle sonst ausstehenden Fragen, die ich in den letzten kurzen Briefen nur kurz gestreift habe. Heute hatte ich keine Nachricht von Dir, die Post braucht überhaupt die gleiche Zeit wie vom Osten, 6 - 7 Tage mindestens. Das mag ja allerdings nur im Anfang sein. Früher kamen Deine Briefe aus dem Westen doch immer in drei Tagen. -- also das Gesuch ist fertig u. wenn ich noch die Unterschriften von Watermeier u. vom Landrat habe, muß ich damit nach Münster. Der Pastor empfahl mir, mich telegrafisch anzumelden u. mir eine Zeit bestimmen zu lassen, wann ich in dringender Angelegenheit persönlich den zuständigen Herrn vom Generalkommando sprechen könnte. Natürlich =reponse payée= ! Und dann mußt Du den Daumen halten. Deine Angaben auf dem Urlaubsgesuchformular kamen leider, als das Gesuch schon fertig war. Wir haben die Größe des Hofes mit 372 Scheffelsaat u. die Größe des bebauten Landes mit 240 Scheffelsaat. Das alles natürlich nach reiflicher Überlegung zwischen Paul und mir. So haben wir nämlich die Angaben in Pauls Reklamationen auch gemacht und befürchteten deshalb, wenn wir allzusehr nach oben griffen, zu Vergleichen herauszufordern. -- Als dringende Gründe haben wir die bevorstehende Ernte, das zu Heereszwecken abzufahrende Holz bei schwierigen Wegen und unzureichendem Personal Klöpper (als einziger unselbständiger Knecht im übrigen außer dem Gefangenen nur Greise und Kinder) aufgeführt. Dazu kämen die sämtlich in furchtbare Unordnung geratenen Maschinen, die Firma Wendiggensen im Kriege durchaus nicht leistungsfähig -- nur von Dir, resp. unter Deiner Leitung repariert werden könnten. Auch hat der Pastor gleich eingangs erwähnt, daß der Hof zwölf Jahre verpachtet u. dadurch stark ausgesogen sei. Das sind so die Kernpunkte. Das Gesuch schließt mit der dringenden Bitte, nicht nur in Deinem persönlichen Interesse sondern auch in vaterländischer Hinsicht die sechs Urlaubswochen zu bewilligen. Von dem vom Pastor ursprünglich beabsichtigten Vierteljahr sind wir doch wieder abgekommen, ich schrieb, glaube ich, gestern schon, daß wir dabei doch zuviel Scherereien befürchteten --- Paul scheint die ganze Sache nicht so ganz recht zu sein, wie ich glaube, er fürchtet wohl, daß seiner Reklamation dadurch Schwierigkeiten entstehen könnten. Ich wüßte aber doch wirklich nicht, daß das der Fall sein könnte, wenn Du vorübergehend hier bist. Seine Anwesenheit hier ist im Gesuch nur ganz flüchtig gestreift, um der Wahrheit zu genügen, ohne großen Nachdruck darauf zu legen. -- Hoffentlich, hoffentlich glückt's nun! ---- Nun von der Wirtschaft. Das Holzfahren für Möller ist immer noch nicht im Schwung, Klöpper, der seit drei Tagen wieder da ist, fährt immer für Tülle und Meyer -- Das Wetter ist ständig gut, Sonnenschein für gewöhnlich und Regen so wie er nötig ist. Alles wächst draußen dementsprechend gut. -- Kleeheu waren's im Ganzen doch 6 Fuder, ich habe das eine Fuder nicht gesehen und erfuhr erst durch Nachfragen bei Paul, daß gestern noch ein drittes Fuder gefahren war. -- Die Kühe haben leider nur zwei Tage lang -- nachdem sie wieder ausgelassen waren, erheblich mehr Milch gegeben, dann fiel sie wieder stark ab. Paul weiß die Ursache nicht, es steht genug drin in den Weiden u. Wasser ist doch auch da. Der frische Klee ist alle, seit einigen Tagen ist Paul bei den Pferden zur Trockenfütterung übergegangen. In Lippe werden jetzt fortwährend Schafe und Lämmer verkauft, Paul war gestern bei einem solchen Verkauf in Laupke, vor Lemgo, und geht mit dem Gedanken um, für uns -- wahrscheinlich beim nächsten Verkauf in Hornoldendorf ein paar Tiere, womöglich Mutterschafe, zu kaufen. Friedrich trägt sich mit derselben Absicht. Das wäre wohl für heute alles Wissenswerte. Die Bestellung in Betreff der Rübchen habe ich Paul gemacht, er sagte, daß er das auch schon vorgehabt hätte. Bunte ist noch nicht am großen Flößgraben und ackert immer oben bei dem Busch herum. -- Du fragst nach Max. Es ist alles in die Wege geleitet, um ihn loszueisen, wir haben aber bis jetzt noch keinerlei Antwort darauf, auch noch nicht von dem Jungen selbst. Er soll dann hier bei Klaasen weiterlernen, was weiter wird, muß man dann ja erst sehen. Jedenfalls ging es so nicht mehr weiter, wir befürchteten, daß er körperlich von der Hungerleiderei einen Knacks kriegen könnte. Ich habe mich auch auf dem Bezirkskommando erkundigt, wann er wahrscheinlich eingezogen werden würde und habe dort erfahren, daß das einstweilen noch gute Weile hätte. Augenblicklich haben wir seit acht Tagen noch keinerlei Nachricht von dem Jungen. -- Betta schreibt mir heute, daß auch Hans jetzt geschrieben hat. An der Front ist er danach noch nicht, mag natürlich inzwischen zehnmal hingekommen sein. --

Mir selbst geht's so gut, daß ich wirklich manchmal angstvoll denke, ob meine Freude auf das Kind doch nicht Einbildung sei. Auch meine Figur hat noch nichts Auffälliges, ich bin nur im ganzen voller geworden. Jedenfalls sieht mir ein Fremder nichts an, am wenigsten den fünften Monat. Ich bin so glücklich über mein gutes Befinden. Nun ist es ganz so, wie ich mir immer dachte, daß bei meinem sonst so widerstandsfähigen Körper eine solche Sache ablaufen würde. -- Die Angaben über die Kasse und das letzte Probemelken folgen morgen, es ist nämlich schon fünf Uhr und ich habe Mutter versprochen, sie heute nachmittag noch ein bißchen zu besuchen. -- Hoffentlich höre ich bald, wie Du die ersten Kampftage überstanden hast. Hast Du Dich wieder an den Westen gewöhnt?

Für heute also mit vielen herzlichen Grüßen Schluß!

Deine Martha

*Die damals korrekte Bezeichnung war "Tötehof", entstanden aus einer 'Beamtenschlamperei" des späten 18. Jahrhunderts. Die vormalige Bezeichnung war Toidhof. oder Toithof. Martha und Fritz haben nach dem I. Weltkrieg die Hofbezeichnung und auch den Familiennamen auf das lautlich entsprechende und in der Schreibweise dem 20. Jahrhundert angepaßte "Teuthof" und "Teutmeyer" ändern lassen. (ghk)

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Version 1.0 Gerhard - Hermann Kuhlmann, November 2005