Das liegt in erster Linie daran, daß ich das Weinen alter Weiber, die durch den Vorgang durchaus nicht in teilnehmende Mitleidenschaft gezogen werden, nicht leiden kann. Sie heulen, weil es ihrer Ansicht nach, Brauch ist. Ich denke immer noch daran zurück, wie bei der Beerdigung von Lisa Fischers Tochter* die Weiber wie auf Kommando losheulten. Frau Dreimann an der Spitze. Vielleicht waren bei ihr andre Beweggründe zu suchen. Wie das Kind geboren wurde, brach die Schadenfreude bei ihr aus, nachdem das Kind gestorben, ärgerte sie sich. Mir wäre es wirklich angenehmer gewesen, Du hättest diese Zeit Zuhause zugebracht, niemand hätte bei Deinem Zustand ein Recht gehabt, Dein Verhalten zu kritisieren. Den Toten will ich ruhen lassen. Früher habe ich jahrelang geglaubt, so lange Onkel Vogt Zuhause bei mir weilt, wird es Dir nicht möglich sein, einer Frau ein angenehmes Dasein zu bereiten. Du hast Dich über alles Dieses hinweg gesetzt mir zuliebe, ich danke Dir dafür. Unter hundert Frauen wäre keine zweite so gut mit ihm ausgekommen, wie es Dir gelang. Ich erinnere mich noch zu gut der Tränen, die es früher mit meiner Mutter gab. Das Alter hat ihn allerdings auch etwas fügsamer gemacht, doch ganz konnte es seinen Eigensinn nicht verbergen. Willst Du mir bitte einmal all die Verwandten nennen, die auf Maries Ruf an der Beerdigung teilnahmen? Liegt er auf dem neuen Friedhof in unserer Begräbnisstätte? Für heute Schluß, es wird zu Tisch gerufen.

Viele herzliche Grüße Euch allen

Fritz

*lt. Auskunft von Ursula Finne, geb. Teutmeyer einem unehelichen Kind (ghk)

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Version 1.0 Gerhard - Hermann Kuhlmann, November 2005