Belgisches Vorbild

Das Gebiet des heutigen Belgien gehörte als Österreichische Niederlande und Fürstbistum Lüttich zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. 1793 bis 95 in den Revolutionskriegen erobert, wurde das Gebiet von Frankreich annektiert und in Départements aufgeteilt. Der Wiener Kongress schlug das Gebiet 1814 zum neu gegründeten Königreich der Vereinigten Niederlande. Insbesondere das französischsprachige Bürgertum und der katholische Klerus lehnten die Herrschaft eines niederländischen protestantischen Königs ab.

Im September 1830 kam es ausgehend von einer Opernaufführung in Brüssel zu einer landesweiten Revolution. Eine sofortige Intervention der niederländischen Truppen scheiterte. Die provisorische Regierung ließ eine Nationalversammlung wählen, die eine Verfassung ausarbeitete und sich für eine Monarchie mit einem starken Parlament entschied.

1831 gelang es den niederländischen Truppen, die Aufständischen zu besiegen, sie gewannen aber nicht mehr die Kontrolle über das ganze Land. Ein Teil der Belgier wollte den Anschluß an Frankreich. Um einen Krieg zwischen Frankreich und den Niederlanden zu vermeiden und um einen Machtzuwachs Frankreichs zu verhindern, intervenierten Großbritannien, Österreich und Preußen zugunsten der Unabhängigkeit Belgiens. 1831 wurde Leopold von Sachsen-Coburg Gotha1 zum belgischen König gewählt und leistete seinen Eid auf die liberale Verfassung.

1839 wurde Belgiens Neutralität international garantiert. In den folgenden Jahren prosperierte das Königreich auch wirtschaftlich und wurde insbesondere im benachbarten deutschen Rheinland und bei vielen deutschen Katholiken zu einem Vorbild. Das ungleiche Zensuswahlrecht, die rigorose Bevorzugung der französischen Sprache und das Ende der katholisch-liberalen Allianz führten erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu inneren Konflikten, die aber im Rahmen der Verfassung entschärft bzw. durch Reformen gelöst werden konnten.

1 König Leopold war ein Onkel der Queen Victoria, des Grafen Carl von Leiningen und des Prinzgemahls Albert aus einer katholischen Nebenlinie.

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Gerhard-Hermann Kuhlmann 16.11.2004 (Version 1.0)