16. Juni 1848 Pfingstaufstand in Prag

Die Kronländer Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien gehörten zum Deutschen Bund, so wie sie zuvor viele Jahrhunderte zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation gehört hatten. Das war den 2,6 Millionen deutschen Einwohnern recht, aber nicht allen der vier Millionen Tschechen. Mit der Revolution sahen tschechische nationale Politiker die Möglichkeit gekommen, einen Zusammenschluß der drei Kronländer herbeizuführen, einen böhmisch-mährischen Landtag zu wählen und das ganze Land aus dem Deutschen Bund herauszulösen. Der Bruch zwischen den tschechischen und den deutschen Bewohnern Böhmens wurde deutlich, als die Wahlen zur Nationalversammlung in Frankfurt am Main vorbereitet wurden.

Der Fünfzigerausschuß teilte das gesamte Gebiet des Deutschen Bundes in Wahlkreise ein, also auch Böhmen und Mähren. Der führende tschechisch-nationale Politiker Jan Palacký wurde zur Vorbereitung der Wahlen in den Fünfzigerausschuß gewählt. Er lehnte die Wahl ab und erklärte, daß die Tschechen nicht mehr zum Deutschen Bund gehören wollten, sondern für die Länder der Wenzelskrone (Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien einen ähnlichen Status innerhalb der habsburgischen Monarchie anstrebten, wie ihn die Ungarn innehatten.

Die Deutschböhmen verließen daraufhin den Vorbereitungsauschuß für die Wahlen zum böhmischen-mährisch-schlesischen Landtag und in den deutschsprachigen Gebieten, aber auch in einigen tschechischsprachigen Landesteilen Mährens wurden die Wahlen zur Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt am Main abgehalten.

Ausgehend vom großen Slawenkongreß, der am 1. Juni.in Prag begonnen hatte, radikalisierte sich die Lage in Prag, u.a. durch Provokationen des kaiserlichen Militärs unter Windischgrätz. Am 12. Juni (Pfingsten 1848) kam es zu einem Aufstand in der Stadt, der sich in erster Linie gegen die Regierung und das Militär richtete, aber „es kam zu Exzessen gegen die Prager Deutschen, so daß man in ganz Deutschland eine nationaltschechische Bartholomäusnacht* befürchtete.“** Eine Wahrnehmung, die völlig verzerrt war, aber nichtsdestoweniger echt empfunden und verhängnisvoll geschichtsmächtig wurde.

Die tschechischen Nationalisten fanden außerhalb Böhmens und Mährens wenig bis gar keine Unterstützung. In Deutschland wurden sie gerade auch auf der Linken als Gegenrevolutionäre angesehen, als Verbündete des russischen Zaren.

Die blutige Niederwerfung des Aufstandes durch Windischgrätz am 16. Juni (also noch vor der Pariser "Junischlacht") war die erste erfolgreiche Militäraktion einer Monarchenarmee im Verlauf der Revolution. Sie trug erheblich zur Wiedergewinnung der Handlungsfähigkeit der Armee des Kaisers bei.

* Bartholomäusnacht Die Nacht vom 23. auf den 24. August 1572 als von Haßpredigern aufgehetzte Menschenmassen die Hugenotten in Paris in einer großen kollektiven Mordaktion töteten. Bis zum historisch unvergleichbaren Judenmord der deutschen Nationalsozialisten war „Bartholomäusnacht“ in den protestantischen Teilen Deutschlands die Metapher für Massenmord gegen eine Minderheit.

** Eberhard Prinz in ZEIT-Punkte 1/98, Hamburg 1998, S.66

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Gerhard-Hermann Kuhlmann 3.12.2004 (Version 1.0)